Freitag, 7. November 2014
Medien und Ukraine
Da einerseits mein Russisch nicht gut genug ist, um Nachrichten zu sehen und alles zu verstehen und ich andererseits zu faul bin, um mir eine Zeitung zu kaufen und jedes x-te Wort nachzuschlagen, kann ich allgemein nur schlecht beurteilen, wie parteiisch oder objektiv die russischen Medien tatsächlich sind.
Allerdings habe ich heute einen klaren Einblick bekommen, was die Sichtweise des Ukraine-Konflikts angeht:
Ich war in einer Familie bei der Arbeit; am späten Nachmittag kam eine Freundin der Mutter vorbei und wir haben zusammen Tee getrunken, auch da der Junge essen musste. Sie hat mich zunächst, wie ich es mittlerweile gewohnt bin, über meine Herkunft und meine Familie (sowie meinen Familienstand!) ausgefragt. Soweit ist das Gespräch ruhig und einfach. Dann die heikle, und doch stetig wiederkehrende Frage: „Was denkst du denn über die Ukraine?“
Meine übliche, relativ diplomatische Antwort: „Das Ganze ist unübersichtlich, es gibt keinen „Guten“ in der ganzen Sache, meiner Meinung nach sollte zuerst die ganze Gewalt gestoppt und nachher ein Referendum organisiert werden, sodass die Bevölkerung selber entscheiden kann, zu wem sie gehören möchte.“
Und weiter: „Was erzählen sie so über Russland in Europa?“
Vorsichtige Antwort: „Sie sagen, dass die Rebellen in Lugansk und im Donbass, auch militärisch, unterstützt werden.“
Doch die unerwartete Reaktion: „Natürlich, was glaubst du denn?! Sonst würden die Faschisten im Westen, die Russland und die Russen hassen die Regionen kontrollieren, in der doch schlieβlich zahlreiche Russen leben!“
Okay...Und das Öl? Das Geld?
„Russland hat, im Gegensatz zu Amerika beispielsweise, viel mehr Bodenschätze und ist keineswegs auf die Ukraine angewiesen.“ Die Freundin sowie die Mutter, die derselben Meinung ist und sämtliche Aussagen unterstützt, räumen zwar ein, dass die Region strategisch wichtig ist, sowie auch die Krim; allerdings ist ihre Meinung felsenfest.
Zudem haben sie das (nicht ganz falsche) Argument, dass die USA sich immer genau dort einmischen, wo es um Rohstoffe und somit um Geld geht; und, dass Russland historisch stark mit den Gebieten verbunden ist, während Amerika einzig und allein hinter dem Geld her ist.

Es fällt auf, dass sie nichts gegen Europa zu haben scheinen; die „Gegner“ sind vorrangig die Amerikaner. Inwiefern das neue Propaganda ist, ist natürlich schwer zu sagen, da die Vereinigten Staaten ja schon während Sowjetzeiten als Feind gebrandmarkt wurden.
Beunruhigender finde ich die Bezeichnung „Faschisten“ für die Regierung: In der Tat klingeln bei diesem Wort die Alarmglocken in den Köpfen der Menschen, da der Zweite Weltkrieg sehr aktuell behandelt wird. Überall gibt es Siegesstraβen, Siegesparke, Gedenkstätten, den Siegestag,... Den Leuten wird immer wieder eingeprägt, dass Russland den „Groβen patriotischen Krieg“ gegen die Faschisten gewonnen hat. Allerdings nur durch unzählige (20 Millionen) Opfer, die deshalb ewig verehrt werden sollten.
Somit kann man sicher sein, dass der Groβteil der Bevölkerung, durch diesen Begriff, intuitiv zustimmt, egal in welcher Weise, die Rebellen zu unterstützen. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass tagtäglich die Zerstörungen, und die Dramen die diese begleiten, gezeigt und kommentiert werden. Es ist demnach allen klar, dass Hilfe notwendig ist; vor allem, weil die Opfer (scheinbar ausschlieβlich) russischsprachig sind.
Von Objektivität kann also nicht die Rede sein. Allerdings habe ich mittlerweile online zu viele Artikel gelesen, die (wenn auch gemäβigter) gegen Russland wüten und den Westen als Unschuldslamm darstellen: Wenn Europa denn den Frieden so sehr wünschen würde, würde es ein geregeltes und kontrolliertes Referendum nämlich nicht rigoros ablehnen.

So viel also allgemein zur objektiven, unparteiischen Presse.

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